GESCHICHTE
Es war sehr früh an einem Frühjahrsmorgen des Jahres 1994, als ich aus München in Düsseldorf gelandet bin. Ich fuhr über die Theodor-Heuss-Brücke, blickte auf die erwachende Stadt am Rhein und dachte zum ersten Mal: Vielleicht ist es doch ganz schön, hier Theater zu machen.
Die verschiedenen Entscheidungsträger hatten sich kurz nach der Grundsteinlegung 1992 dazu entschlossen, in den Schadow Arkaden ein neues Theater für Düsseldorf zu gründen. Die Entscheidungsträger, das waren meine Eltern mit der von ihnen eingebrachten Logistik und Erfahrung – meine Mutter leitete mit Inge Durek bereits Jahrzehnte das Kölner Theater am Dom und mein Vater betrieb mit meiner Mutter das Konzert Theater Kontor Heinersdorff und die Vorverkaufsstelle Heinersdorff – die Familie Arnold, die als Ideengeber und Mitinhaber der Schadow Arkaden einen wesentlichen Anteil hatte, der Architekt Walter Brune, der das Ganze architektonisch umzusetzen hatte, und ich.
Vieles sprach dagegen: Die Rasterbauweise, die die Säulen im Theaterraum unabdingbar machte, die Deckenhöhe, die Tatsache, dass in der Stadt bereits eine Vielzahl von Theatern existierte sowie die Freundschaft zu den künftigen Mitbewerbern Ingrid Braut und Alfons Höckmann. Zudem boomte die Fernsehlandschaft und machte es daher schwierig, namhafte Künstler für einen längeren Zeitraum an ein Haus zu binden. Die kommunalen Mittel wurden knapper, so dass eine Subvention oder irgendeine andere Form der Unterstützung seitens der Stadt in weite Ferne rückte und nicht zuletzt meine Liebe zu einem Vagabunden-Leben von Stadt zu Stadt und nicht etwa die Liebe zu einer Stadt allein, auch wenn diese die Stadt meiner Großväter und Urgroßväter war.
Einiges sprach dafür: Die Theaterlandschaft in Düsseldorf war marode. Volker Canaris hatte das Schauspielhaus leer gespielt, die Kammerspiele standen kurz vor der Insolvenz und die Komödie hatte sich in eine Art Ensemblespiel eingeigelt. Düsseldorf spielte als Theaterstadt nicht mehr in der Bundesliga und zumindest im Boulevard-Bereich hatten wir die Kompetenz, das zu ändern. Nach der erfolgreichen Gründung ging es in Düsseldorf dann auch los: Apollo und Capitol-Theater wurden gegründet, Aufbruchstimmung am Schauspielhaus mit Anna Badora und später der Neuanfang an der Komödie, geradezu als Kopie. Das Theater an der Kö wirkte wie eine Initialzündung auf die Stadt und rückte Düsseldorf wieder in das Interesse von Theatermachern. Ein bisschen Familientradition beinhaltete die Gründung auch: Schon mein Urgroßvater betrieb einen privaten Konzertsaal auf der Schadow Straße, den Ibach Saal, der sich heute im Stadtmuseum befindet, und sowohl mein Großvater als auch mein Vater hatten sich mit kulturellen Institutionen einst selbstständig gemacht.
Einen kleinen Disput hinsichtlich der Namensgebung gab es, den kein geringerer als Sir Peter Ustinov auslöste. Den Betreibern der Schadow Arkaden war natürlich wichtig, dass das Theater auch im Namen untrennbar mit den Schadow Arkaden identifiziert wird, was ja mittlerweile gegenseitig auch der Fall ist. „Theater in den Schadow Arkaden“ lautete also zunächst der Arbeitstitel des Theaters. Als wir Ustinov für ein Gastspiel anfragten und ich ihn in Berlin traf, fragte er mich: „Schadow Arkaden? Machen die dort indische Schattenspiele?“ Und weiter: „Why don´t you call it „an der Kö“? Everybody knows the Kö. I never go to the Kö with my wife an my credit card together.“ Damals war mir klar: Es muss “Theater an der Kö” heißen, zumal kein Theater in Düsseldorf näher an der Kö liegt als dieses.
Nach vielen schlaflosen Nächten, dem Ausstieg eines Partners, der Absage vieler Künstler, dem Misstrauen anderer Kulturschaffender in der Stadt, hob sich dann am 21. September 1994 dennoch der Lappen: „Ausgerechnet Hamlet“ von Paul Rudnick in meiner Regie mit Raimund Harmstorf, Marianne Rogée, Karsten Speck, Jenny Jürgens und mir war mehr als 50 Mal ausverkauft und wurde nach Düsseldorf in weiteren Großstädten 250 Mal gespielt. Beim Festakt zur Eröffnung sprach Johannes Rau am Ende seiner Rede seine berühmten Worte: „Glück auf.“ Die erste Spielzeit war fulminant, wenn sie auch mit einem Flop endete. So gehört sich das.
Einen echten Theatermann treibt der Wunsch nach Erfolg an. Erfolg ist aber nicht nur Publikumszuspruch. Man ist erstaunt, wie oft man, trotz aller Kenntnis der angeblichen Erfolgsrezepturen, nicht mit dem Publikumsgeschmack identisch urteilt. Das aber ist auch gleichzeitig der Reiz – und nur diese Diskrepanz kann Ästhetiken und Sehgewohnheiten weiterentwickeln. Das Theater an der Kö hat bessere und schlechtere Zeiten erlebt, aber um mit dem großen Boulevardier Gunter Philipp zu sprechen: Es hat fast immer Spaß gemacht.
René Heinersdorff
Unterstützt durch: